Dienstag, 10. Mai 2011

Muttertag

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, alle ein bis zwei Tage hier von der Vergangenheit zu berichten und dann langsam in der Gegenwart meiner Mutter anzukommen. Leider macht mein Zeitkontingent nicht mit. So werde ich immer wieder auch in Rückblenden berichten und hoffe, daß Ihr den inhaltlichen Faden nicht verliert.

Muttertag 2011: Na klar sind wir alle zu meiner Mutter gefahren. Sie lebt auf der geschlossenen, geronto-psychiatrischen Station einer Fachklinik in Norddeutschland (ich werde ein andermal weitere Details über das Leben dort berichten) - nicht weit von uns entfernt.

Sie hat sich sehr gefreut, uns zu sehen - na ja, mit Abstufungen. Wie in den letzten Jahren üblich, macht sie Unterschiede zwischen uns Geschwistern - ich habe inzwischen gelernt, dies nicht mehr persönlich zu nehmen. Als Kinder hat sie uns immer gleich behandelt, nie hatte einer von uns das Gefühl, er würde vorgezogen oder bekäme mehr als der andere. Vor einigen Jahren jedoch änderte sich das: Meine Mutter begann ganz aktiv damit, meinen Bruder in jeder nur denkbaren Weise zu bevorzugen - das war sehr schwer zu ertragen. Vor allem, weil es in keinster Weise mit der Anzahl der Besuche oder der persönlichen Unterstützung in Korrelation stand.

Nun ja, es ist Muttertag 2011: Wir besuchen das klinikeigene Cafe. Meiner Mutter ist nicht mehr in der Lage für sich herauszufinden, welche Sorte Eis sie denn nun essen möchte: Scheinbar ist ihr nicht mehr bewußt, daß Magnum Mandel eine ihrer Lieblingseissorten war - und vielleicht immer noch ist. Mit offensichtlichem Genuss isst sie es jedenfalls.

Anschließend müssen wir einen großen Umweg um das ganze Klinikgelände zurück zum Eingang ihrer Station laufen - sie besteht darauf, schließlich sind wir ihn letztesmal auch gegangen. Wir sitzen in der sommerlichen Sonne auf einer Parkbank und schauen den Kindern beim Löwenzahnpflücken zu. Dabei hakt sie besonders bei meinem Bruder immer wieder intensiv nach, wann er sie denn wieder besucht, und ob er denn nicht alleine kommen könne - ohne uns anderen. Sie redet dabei, als seien wir gar nicht anwesend - erstaunlich, dass sie sonst nicht so viele Worte verwendet. - Es verdirbt mir den Tag, und wieder einmal stelle ich mir die Frage, ob die Zeit, die ich für sie erübrige, und die u. a. an meinen Kindern fehlt (zumindest aus meiner subjektiven Sicht), auch wirklich sinnvoll investiert ist oder mich einfach nur ein Stückchen schneller an den eigenen Abgrund bringt...?

Nach drei Stunden verabschieden wir uns - den gemeinsamen Arzttermin mit mir am Donnerstag erwähnt sie trotz mehrfacher Erinnerung mit keiner Silbe mehr, doch schallplattenartig nagelt sie meinen Bruder auf sein vages Versprechen zu einem Besuch am kommenden Samstag fest, von dem er jetzt schon weiß, daß er ihn nicht einhalten kann...

Wir hatten schon angenehmere Tage mit ihr - aber zumindest fahre ich für eine kurze Weile mit fehlendem schlechten Gewissen nach Hause...

1 Kommentar:

  1. Ich wüsste gerne, wie es weitergegangen ist-hatte beim Lesen auch einige aha-Momente.

    AntwortenLöschen